Bei herrlichem Sommerwetter und guter Laune versammelten sich am 25.August 2019 circa vierzig Ascher Bürgerinnen und Bürger an der Friedenslinde zum Gedenken derer Pflanzung vor 100 Jahren.
In der Andacht unter der Leitung von Pastor Horst Metje wurde an die Geschichte und Bedeutung dieses Baumes erinnert. Ein großartiger Ausblick auf die umliegende Ascher Natur rundete die Veranstaltung ab.
Im Anschluss stärkten sich alle Besucher mit Bratwurst vom Grill und kühlen Getränken.
Hier die Andacht gesprochen von Pastor Horst Metje:
Begrüßung
„Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt. 5, 9)
Im Sinne dieses Jesuswortes begrüße ich alle zusammen als potentielle Gotteskinder zu dieser Andacht anlässlich des 100 jährigen Bestehens der Friedenslinde in Asche.
Ich wünsche dazu einen guten Morgen.
Wir feiern diese Andacht im Namen des Schöpfers, der seinen Menschen das Gesetz des Friedens als Grundlage der Vernunft gegeben hat, im Namen Jesu, der mit seinem Leben, Sterben und Auferstehen unzerbrechlichen Frieden zwischen Gott und den Menschen gestiftet hat, im Namen des Geistes, der die Bereitschaft zum Frieden jedem ins Herz gießen und Versöhnung möglich machen kann. Amen.
Ansprache
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!
Da stehen oder sitzen wir nun vor dieser Linde, die den Namen „Friedenslinde“ trägt und ausweislich der Informationstafel am 12. August 1919 an dieser Stelle vom damaligen Gemeindevorsteher Heinrich Gerwig nach entsprechendem Beschluss des Gemeinderates der Ortschaft Asche gepflanzt worden ist. Was mag Gerwig und die Männer des Rates – damals waren es ja nur Männer – zu diesem Schritt bewogen haben? Dass zum Gedenken an einen Krieg, der für die eigene Nation verloren gegangen ist, Bäume gepflanzt werden, das ist – glaube ich – etwas ziemlich Einzigartiges. Jedenfalls ist mir Vergleichbares nicht bekannt. Gewiss: wir kennen die Luther-Linden oder Reformations-Eichen, die – durchaus als Ausdruck eines hier gar nicht angebrachten nationalen Selbstbewusstseins und im Sinne einer ganz unangemessenen Heldenverehrung zu den Jubiläen eines prägenden Kapitels deutscher Geschichte des 16. Jahrhunderts gepflanzt worden sind. Und es gibt bzw. gab auch die Denkmale, mit denen der „heldenhafte Einsatz“ der eigenen Gefallenen geehrt wird, wie etwa nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71, als man dann überall die Sedanslinden finden konnte. Von dem allen aber weit entfernt scheint mir diese Friedenslinde zu sein. Nicht den Krieg will sie verherrlichen, nicht einen Sieg bezeugen, sondern ganz schlicht zum Frieden mahnen.
Das war wohl für weitsichtige Menschen das Gebot der Stunde, ein Jahr nach Ende eines Krieges, der nicht mit einem Friedensschluss, sondern lediglich einem Waffenstillstandsabkommen aufhörte, das am 11. November 1918 im französischen Compiegne unterzeichnet wurde. Denn dieser Krieg, der mit dem Einsatz von Granatwerfern, Maschinenpistolen und Giftgas, von U-Booten, Jagdfliegern und Bomben der Menschheit ganz neue Dimensionen des Schreckens vor Augen geführt hatte, durfte keinesfalls eine Fortsetzung oder Wiederholung erfahren, die nur unter dem Vorzeichen stehen konnte, dann noch schlimmer auszufallen. Jegliche revanchistische Haltung war deshalb völlig unangemessen. Gerwig, der im 1. Weltkrieg mit seinen 17 Millionen Toten selbst zwei Söhne verloren hatte, wollte dem offenbar Ausdruck verleihen und dem Wahnsinn des Krieges mit der Errichtung dieses Symbols Einhalt gebieten.
Und dass Krieg nichts als Wahn-Sinn ist, das hatte sich ja schon wenige Monate nach seinem Beginn erwiesen, als zu Heiligabend 1914 Soldaten der verfeindeten Mächte in den Schützengräben beiderseits der Frontlinie gemeinsam „Stille Nacht“ anstimmten oder sogar die Hand reichten, um gesegnete Weihnachten zu wünschen, wie in manchen anrührenden Feldpostbriefen oder Kriegstagebüchern berichtet wird. Warum morgen einander ermorden, wenn doch heute, motiviert durch den einen verbindenden Glauben, freundschaftliche Begegnung möglich war?
Ich verstehe Gerwigs Pflanzung der Friedenslinde insofern als ein Gestalt gewordenes Gebet, das versucht, den Willen zum Frieden allem voranzustellen. Dass das nicht durchgängig wirksam geworden ist, hat sich nur 20 Jahre später gezeigt, als mit dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen ein Krieg entfesselt wurde, der in seinen Ausmaßen das bisher Dagewesene in noch unvorstellbarer Weise überbot. Dieser 2. Weltkrieg endete bekanntlich mit einem Atomschlag.
Da mag es erstaunen, dass diese Friedenslinde überhaupt überlebt hat. Ich meine das nicht in dem Sinne, dass sie durch direkte Kriegseinwirkungen hätte zerstört werden können. Ich meine das eher in der Weise, dass der mit ihr in die Welt gesetzte Gedanke durch die damals herrschende Ideologie hätte unterbunden und dieses Friedensmal beseitigt werden können. Das ist Gottseidank nicht geschehen. Aber – wie wir am letzten Sonntag durch einen meiner Vorgänger, Pastor Kämmer, erfahren haben: hier in Asche gab es ja Leute, die sich menschenverachtenden Gedanken nicht anheim gaben, sondern ihrem Gewissen folgten und ihrem Glauben treu blieben. Wer weiß: vielleicht hat der alte Karl Krull, von dem erzählt wurde, an manchem Sonntag mit den Kindern auch hier unter diesem Baum gesessen, so wie wir jetzt, um ihnen biblische Geschichten nahe zu bringen. Dann hätte die Friedenslinde auch da ihren Zweck erfüllt.
Übrigens – das noch zum Schluss: Es hat seinen guten Grund, dass diese Friedenslinde eine Linde ist, keine Eiche, Buche oder Ulme. Die Linde nämlich gilt, das rührt aus germanischer und slawischer Tradition her, als heiliger Baum. Nicht von ungefähr hatte in Mitteleuropa fast jeder Ort seine Dorflinde, die das Zentrum markierte, den Treffpunkt für Nachrichtenaustausch und Brautschau, wo Tanzfeste sattfanden, aber auch Gericht gehalten wurde. Die Bezeichnungen „Tanzlinde“ oder „Gerichtslinde“ deuten darauf hin.
Und da, wo die Treffplätze noch erhalten sind, die Stellen, wo das Dorf in Versammlungen seine inneren Angelegenheiten regelte, da sieht man, dass sie von Linden umgeben sind. Die Linde: ein Symbol für Gemeinschaft. Und zwar für eine Gemeinschaft, die über das Leben im Diesseits hinausreicht. Denn die Linde ist auch der klassische Friedhofsbaum. Auch die Verstorbenen sind so in die Gemeinschaft der lebenden mit einbezogen, was natürlich da besonders sinnenfällig wird, wo der Lindenumsäumte Friedhof noch im Ortszentrum und um die Kirche herum liegt, meist im engen Bezug zum Tie.
Auch die Friedenslinde hier repräsentiert diese Gedanken. Sie erinnert an die, die im Krieg ihr Leben ließen. Und sie mahnt dazu, sich dem Frieden zu öffnen, der höher ist als alle Vernunft, und von daher das Bemühen um Frieden in die Gemeinschaft einzutragen. Dass dies in der gegenwärtigen Zeit wieder auf weltpolitischer Ebene wie auch in den ganz lokalen Zusammenhängen eine hochaktuelle Aufgabe ist, dürfte jedem von uns bewusst sein. Aber zu dem Thema dann mehr am Volkstrauertag im November an anderem Ort.
Der Linde hier aber ist zu wünschen, dass sie noch viele hundert Jahre wachsen und bestehen möge, und durch ihr Dasein zu friedvollem Denken und Handeln führt.
Amen.